Hochsensible Frauen im Berufsleben: wenn der Kopf mehr will als der Körper leisten kann

Hochsensibilität im Job, Mentale Gesundheit im Job

Hochsensible Frauen im Berufsleben leiden verstärkt unter den im Grunde „normalen“ Anforderungen eines Arbeitsalltags. Vielleicht kennst du das ja? Platzt dir im Alltag oft der Kopf? Zu viel Input, zu viele Gedanken, Pläne, Visionen, Träume und To-Dos? Was passiert, wenn der Kopf mehr will als der Körper leisten kann, erkläre ich dir in dem folgenden Blogbeitrag.

Was bedeutet Hochsensibilität?

Viele hochsensible Frauen im Berufsleben wissen gar nicht, dass sie hochsensibel sind. Vielleicht geht es dir ja auch so? Dabei kann ein Wissen um das Themengebiet der Hochsensibilität den Knoten zum Platzen bringen und für eine große Erleichterung sorgen, insbesondere wenn Sie sich oft „anders“ fühlen. Glaub mir. Ich spreche da aus Erfahrung. Es gibt viele Situationen, die hochsensible Frauen überfordern und die wiederum für andere „ganz normal“ sind: Eine große Kundenveranstaltung, stickige Luft im Meetingraum, ständige Unterbrechungen am Arbeitsplatz, nach der Arbeit direkt den Kindergeburtstag für den nächsten Tag vorbereiten. Auslöser für das alltägliche Unwohlsein in stressigen Situationen ist eine kognitive Überreizung. Im Vergleich zu normalsensiblen Menschen fehlt hochsensiblen Menschen eine Art „Filter“ im Gehirn, der sie vor Reizüberflutung schützt. Sie verarbeiten sämtliche Sinneseindrücke intensiver und ein Ausblenden unwichtiger Informationen gelingt meist nicht.


Jetzt fragst du dich sicherlich, wie sich denn eine Reizüberflutung bemerkbar macht?

Die Reizüberflutung kann in verschiedenen Bereichen auftreten:

  • Im visuellen Bereich: Hochsensible haben einen Sinn für Formen und Farben und haben ein hohes Kreativitätspotenzial. Hochsensible sind jedoch sehr lichtempfindlich.
  • Im akustischen Bereich: Hochsensible Menschen haben meist ein sehr gutes Gehör, sind sehr musikalisch und auch sprachbegabt, dafür aber oft geräuschempfindlich.
  • Im Bereich der inneren Wahrnehmung: Hochsensible können einzelne Organe wahrnehmen und Bewegungen in ihrem Körper klar erfühlen, was dazu führen kann, dass jede wahrgenommene Regung ängstlich analysiert und bewertet wird. Dieser Vorgang wird auch als „Inneres Fühlen“ bezeichnet. Außerdem sind hochsensible Menschen sehr kälte- und/oder hitzeempfindlich.
  • Im sozialen Bereich: Hochsensible erkennen die Stimmungen ihres Gegenüber sehr schnell an der Körperhaltung und Mimik, aber auch im Tonfall oder leichten Veränderungen des Gesamtbildes. Sie verfügen über eine ausgeprägte Empathie, die jedoch auch belastend werden kann, wenn die notwendige emotionale Abgrenzung fehlt. Small Talk, wie zum Beispiel mit Kollegen im Flur, gehen Hochsensible gern aus dem Weg.

Bist du eine hochsensible Frau? 10 Fragen, die du dir stellen solltest

Die folgenden Fragen helfen dir herauszufinden, ob du hochsensibel bist bzw. ob eine Tendenz zur Hochsensibilität erkennbar ist.

  1. In welchen Bereichen bist du schnell überreizt?
  2. Reagiert dein Körper schnell mit körperlichen Symptomen bei alltäglicher Belastung und Stress?
  3. Warst du vielleicht schon als Kind eher ruhig, schüchtern oder schnell überreizt? Hat dich z.B. der Lärm in der Klasse wahnsinnig gemacht?
  4. Hast du ein erhöhtes Ruhebedürfnis und ziehst dich gern zurück, um dich zu erholen?
  5. Hat irgendein Hausarzt bei dir als junger Mensch eine „vegetative Dystonie“ diagnostiziert ohne erklären zu können, warum das so ist?
  6. Belasten dich plötzliche Terminverschiebungen sehr?
  7. Empfindest du ein langes Meeting mit vielen Menschen in einem Büro als besonders anstrengend?
  8. Bist du eher ein Einzelgänger oder magst du es gern allein zu sein? Gehst du lieber mit wenigen Freunden aus anstatt mit einer großen Gruppe?
  9. Bist du sehr perfektionistisch?
  10. Fühlst du dich irgendwie „anders“?

Falls du alle oder einige dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, könnten dies Indizien sein, die auf Hochsensibilität hindeuten. Aber lass uns jetzt gemeinsam noch etwas tiefer einsteigen und herausfinden, ob du hochsensibel bist.

Der beste Test für Hochsensibilität

Falls du noch stärker deiner Hochsensibilität auf die Spur kommen möchtest, empfehle ich dir einen HSP (High Sensitive Personality) Test zu machen.

Im Internet kursieren sehr viele Tests, um Hochsensibilität feststellen zu können. Ich habe viele ausprobiert und werde dir den nach meiner Meinung aussagekräftigsten Test vorstellen.

Es handelt sich um den von Dr. Lars Satow entwickelten Online-Test für Hochsensibilität, der kostenlos und ohne Registrierung auf dem Psychologieportal Psychomeda® zur Verfügung steht.

Ich finde die Fragen detailliert, treffend und der Test ist außerdem statistisch geprüft (gute bis sehr gute Werte für Reliabilität und Validität). Auch die Ergebnisanalyse ist detaillierter als bei anderen HSP-Tests.
Das Ausfüllen online am PC dauert ca. 10 Minuten. Am Ende des Tests kannst du dir die Ergebnisse per E-Mail an deine eigene Mailadresse schicken lassen.
Für alle, die sich nicht sicher sind, ob sie hochsensibel sind oder nicht, ermöglicht dieser Test eine wirklich gute Orientierung.

Was sind die Ursachen von Hochsensibilität?

Um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen: Hochsensibilität ist eine vererbte Veranlagung oder ein Persönlichkeitsmerkmal, keine Diagnose und schon gar keine psychische Störung oder Erkrankung. Dies ist auch der Grund, warum das Thema „Hochsensibilität“ in der klassischen Psychotherapie bislang kaum Beachtung findet. Aus wissenschaftlicher Sicht verständlich, denn die empirische Datenlage zu dem Thema ist bislang immer noch recht dünn. Aber die Zeiten, dass es sich bei Hochsensibilität um ein Modewort handelt, sind definitiv vorbei.

Es gibt einige Ergebnisse, die mittlerweile wissenschaftlich fundiert sind und die Hochsensibilität erklären. Dänische Wissenschaftler fanden im Jahr 2012 heraus, dass Hochsensibilität zumindest zum Teil auf das Serotonin-Transporter-Gen 5-HTTLPR zurückzuführen ist. Sie kamen zu dem Schluss, dass diese Veranlagung erblich bedingt ist.

Einen weiteren Erklärungsansatz liefert die Ärztin Dr. Angelika Hellstern. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen einem COMT-Polymorphismus und Hochsensibilität.
Oh je, COMT Polymorphismus…was ist das denn? Keine Sorge. Ich versuche es in einfachen Worten.
Ein COMT-Polymorphismus liegt dann vor, wenn sich Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin nur verlangsamt abbauen. Die Stresshormone sind deutlich länger im Blut aktiv und sie fühlen sich ständig „on fire“. Betroffene zeichnen sich einerseits durch eine hohe geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, Sprachbegabung, große Ausdauer, Multitasking-Fähigkeit und schnelles Begreifen komplexer Sachverhalte aus. Alle Sinne sind geschärft und somit hochsensibel.

Bei Menschen mit normal funktionierender COMT baut sich der Stress wieder vollständig ab, sobald der auslösende Stressor vorbei ist. Sie sind also längst wieder im „Normalzustand“, während sich Hochsensible noch fühlen, als hätten sie 12 Tassen Café hintereinander getrunken: wie im Rausch, aber in einem anstrengenden Rausch oder einem mentalem Overload.

Fazit: Hochsensibilität ist erblich. Schau doch einmal, ob jemand in deiner Familie (Geschwister, Eltern usw.) auch hochsensibel ist?

Wenn der Kopf mehr will als der Körper leisten kann

Was passiert bei dir über kurz oder lang im Tagesablauf, wenn von morgens bis abends die Stresshormone wüten? Cortisol (wieder ein Stresshormon) steigt und steigt. Anstatt dass sich das Cortisol zum Abend hin wieder abbaut, bleibt es auf einem hohen Niveau, wenn wir keine Pausen einlegen , sondern durchpowern.

Kennst du das Gefühl? Du liegst abends im Bett und dein Körper vibriert, die Gedanken fahren Karussell und die Müdigkeit kommt und kommt nicht? An Einschlafen ist dann natürlich gar nicht zu denken.

Unser Cortisol ist dann stärker als das Schlafhormon Melatonin. Letzteres hat nämlich irgendwann nichts mehr zu melden, wenn die Stresshormone zu sehr wüten.
Dumm gelaufen. Schlechte Nacht, k.o. und erschlagen am Morgen. Und dann beginnt der Teufelskreis und es kommt vielleicht ein Druck dazu, sich doch unbedingt erholen zu müssen, um endlich wieder gut zu schlafen und den Tag „packen“ zu können. Aber Druck ist wiederum der beste Freund von Adrenalin und Cortisol und die drei sorgen dann im Trio dafür, dass sich das Melatonin immer weiter verabschiedet.
Diese Stresskette schildern mir viele meiner hochsensiblen Klientinnen.

Wenn kontinuierlich neue Stressoren dazukommen, kann sich der Stress -auch auf körperlicher Ebene- chronifizieren. Dies ist zumindest eine Erklärung für die psychische Vulnerabilität von hochsensiblen Menschen und deren Neigung zu Angststörungen und Erschöpfungsdepressionen (Burnout).


„Hochsensible laufen Gefahr, natürlich vorgegebene Grenzen Ihres Körpers aufgrund der leistungsstimulierenden Wirkung der permanent zirkulierenden Stresshormone nicht zu bemerken. Während Normalsensible schon recht frühzeitig langsamer machen müssen, weil sie auf natürliche Weise schlapp machen, können Hochsensible oft nur durch einen finalen körperlichen Zusammenbruch gestoppt werden.“

Luca Rohleder (2017): Die Berufung für Hochsensible

Eben weil das Nervensystem von hochsensiblen Menschen so sensitiv und dauerbeansprucht wird, fühlen sich vor allem hochsensible Frauen, die viele verschiedene Rollen im Leben einnehmen, nach einem Arbeitstag wie in einer Stressspirale gefangen, wenn sie zig verschiedenen Reizen ausgesetzt waren, ohne zwischendurch das Nervensystem mal zur Ruhe zu bringen. Was folgt sind körperliche Symptome wie Migräne, Magen-Schleimhautentzündungen, Extrasystolen oder Verdauungsprobleme.


„Normale Tagesabläufe“ wie Kinder für die Schule fertig machen, zur Schule bringen, 5 Stunden Teilzeit an den Schreibtisch, Essen kochen, Nachmittags-Bespaßungsprogramm usw. klingen auf den ersten Blick nach einem normalen Alltag. Aber du als hochsensible Frauen keine Pause in diesen Alltag einbaust und dein Leben nicht nach deinen Bedürfnissen lebst, dann droht die eben beschrieben hormonelle Stressspirale.

Also räume deinen Bedürfnissen an die höchste Priorität ein.

Hochsensible Frauen haben zwar die Super-Power, aber oft nicht die Fähigkeit zur Abgrenzung. Aus Super-Power wird Super-Erschöpfung. Und ein Burnout nähert sich in schnellen Schritten.


Hochsensible Frauen: erste Schritte aus der Stress-Spirale

Jetzt hast du erfahren, was Hochsensibilität ist und was bei Stress in einem hochsensiblen Körper passiert. Dies ist ganz wichtig zu verstehen. Vielleicht weißt du auch schon, dass du hochsensibel sind. Der nächste Schritt heißt jetzt: Radikale Akzeptanz. Vielen Frauen fällt es nämlich schwer zu akzeptieren, dass Sie nicht zur Kategorie „Rampensau“ gehören und schnell gestresst und erschöpft sind. Jetzt geht es darum zu akzeptieren,

  • dass du lieber abends entspannt auf dem Sofa hockst (weil du erschöpft bist), anstatt um die Häuser zu ziehen.
  • dass du mehr Pausen brauchst als deine normalsensiblen Freundinnen.
  • dass du ein Leben nach deinen Regeln und deinem Tempo führst, was du selber festlegst und nicht dein Umfeld.

Wenn du das schaffst und auf dein Bauchgefühl hörst, dann hast du schon den größten Schritt geschafft.

Aber wie bleibst du in deiner Mitte und wie gelingt ein Leben, das deinem Naturell als hochsensible Frau entspricht?

Les dazu gerne weiter in meinem Blog.


Welche Selbstfürsorge-Tools hochsensible Frauen ergreifen können, um nicht in die Überforderung zu rutschen, erfahren Sie hier.

Welche internen und externen Stressoren unseren Arbeitsalltag bestimmen und was diese mit unserem „Gefühl“ am Arbeitsplatz machen, erkläre ich Ihnen hier.

Fühlen Sie sich nach einem langen Arbeitstag auch oft, als wären Sie einen Marathon gelaufen? Oder geraten Sie auf Grund Ihrer Hochsensibilität im Job schnell an Ihre Grenzen? Dann vereinbaren Sie gern ein kostenloses Kennenlerngespräch und wir finden gemeinsam heraus, wie ich Ihnen helfen kann.

Ihre Saskia Vocke

Wollen wir uns zwischenzeitlich über LinkedIN vernetzen?

Quellenangaben:


Hellstern, A.: Burnout, Östrogendominanz und Schmerzerkrankungen: Symptome des COMT-Polymorphismus https://www.jameda.de/gesundheit/psyche-nerven/comt-polymorphismus-genetische-disposition-fuer-burnout-oestrogendominanz-und-schmerzerkrankungen/ am 01.09.2022.
Kirschner-Brouns, S./Roemer, C. (2017): Hochsensibel -Leichter durch den Alltag ohne Reizüberflutung, S. 12-13.
Rohleder, Luca (2017): Die Berufung für Hochsensible -Die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch.

Thivissen, Patricia (2019): Zu viel Welt fürs Gehirn: https://wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/zu-viel-welt-fuers-gehirn/

Vorschaubild: Lacie Slezak auf www.unsplash.com

Kurze Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Blogartikel für Bezeichnungen, die sich auf alle Geschlechter beziehen, nur die männliche Form verwendet. Gemeint sind selbstverständlich alle Menschen und niemand soll dadurch diskriminiert werden.

Hallo, mein Name ist Saskia Vocke!

Personalexpertin mit langjähriger Erfahrung, zertifizierte Burnout Beraterin und ausgebildete Fachberaterin für Hochsensibilität.
Aus meiner 15-jährigen Arbeit im Personalbereich weiß ich, dass „höher, schneller, weiter“ im Jobleben nicht mehr das Maß aller Dinge ist. Gesundheitsförderung, Werteorientierung und Sinnerfüllung sind die neuen Trendsetter. Dies möchte ich Ihnen nicht nur mit viel Empathie und Know-How vermitteln, sondern ich lebe diese Philosophie auch selber.

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